Corpus Anjou

Das Archiv des zweiten Hauses Anjou befindet sich seit Ende des 15. Jahrhunderts nicht mehr in Anjou. Deswegen tauchte die série A[1] – Actes du pouvoir souverain et domaine public („Königliche und staatliche Rechtsakte“) nie im Ordnungsschema des Archivs der Départements Maine-et-Loire und Mayenne (Archives Départementales de Maine-et-Loire et de Mayenne) auf. Die Verwaltungsgeschichte des Herzogtums Anjou und der Grafschaft Maine lässt sich trotzdem heute noch anhand der im Pariser Staatsarchiv aufbewahrten Dokumente erforschen.

Die Wiedervereinigung von Anjou und Maine mit der französischen Krone 1480 bzw. 1481 bestimmte tatsächlich das Schicksal der angevinischen Institutionen und deren Archive. Die Verlegung des Archivguts begann im Februar 1485 – nach der Auflösung der Chambres des comptes („Rechnungskammern“) von Angers und Le Mans im Oktober 1483 durch Karl VIII., den französischen König. Alle Register, Urkunden und Belege wurden damals von mehreren gens des comptes parisiens (Beamten der Pariser Rechnungskammer) nach Paris transportiert. Der Rest des Archivgutes folgte erst 1492 und wurde dann 1541 ausführlich inventarisiert (AN, PP 33).

Schlosskapelle Pimpéan, Grézillé (Maine-et-Loire),
15. Jahrhundert, Foto J.-M. Matz

Allein das Archivgut von Anjou füllte 13 Schränke in einem Saal der Pariser Kammer, die in Chambre d’Anjou („Kammer von Anjou“) umbenannt wurde. Das Archivgut des Herzogtums wurde aber erst in den 1870er Jahren sortiert, geordnet und inventarisiert. Dieses Riesenunterfangen wagte Albert Lecoy de La Marche (1839-1897), dem wir noch heute das Bestandsverzeichnis zu verdanken haben. Dieses Eintauchen ins Herz der Rechnungsakten führte 1873 zur Veröffentlichung der Extraits des comptes et mémoriaux du roi René pour servir à l'histoire des arts au XVe siècle („Auszüge aus den Rechnungsbüchern und Urkundenregistern von König Renatus zur geschichtlichen Analyse der Kunst des 15. Jahrhunderts“), und zwei Jahre später des dreibändigen Werkes Le Roi René, sa vie, son administration, ses travaux artistiques et littéraires („König Renatus – sein Leben, seine Verwaltung, seine künstlerischen und literarischen Werke“): (Band 1, Band 2, Band 3).

 

Das Archivgut des Herzogtums Anjou ist in der série P unter dem Titel Chambre des comptes et comptabilité („Rechnungskammer und Buchführung“) wiederzufinden. Die Titel und Urkunden des Hauses Anjou bilden die Signaturen P 1334 bis P 1354. Die sous-séries PP (Anciens inventaires de la Chambre des comptes : „Ehemalige Bestandsverzeichnisse der Rechnungskammer“) und KK (Monuments historiques : État des inventaires – „Kulturdenkmale : Bestandsverzeichnis“) beinhalten zudem Dokumente, die die angevinische Domäne betreffen.

Die Digitalisierung, die im Rahmen des Programms ANR EUROPANGE unternommen wurde, betraf mehr als 300 Artikel der séries P und KK, die die Zeitspanne von 1262 bis 1541 umfassen. Die digitalisierten Artikel aus der série P tragen die Signaturen P 1334 bis P 1343. Sie enthalten eine Reihe von Urkunden und Belegen, die einerseits die Rechte des zweiten Hauses Anjou auf die angevinische Apanage (Erhebung der Grafschaft und später des Herzogtums zur Apanage, Bestandsaufnahme der Ländereien und Vasallen) und andererseits seine Familien- und Erbpolitik (Testamente und Heiratsbündnisse) rekonstruieren lassen.

Die Scans umfassen auch eine ganze Reihe von praxisbezogenen Unterlagen, darunter das Archivgut der Rechnungskammer von Angers, ein Register des Conseil, ein anderes der Chancellerie, und ein letztes mit den Abschriften der Rechnungskammer von Le Mans.

Schließlich wurden zahlreiche Dokumente ausgewählt, die die Steuerpolitik und die Verwaltung der herzoglichen Domäne innerhalb der Apanage widerspiegeln, insbesondere jene über die Bewegungen von herzoglichen Vermögensgegenständen (Schenkungs-, Verkaufs-, Miet-, Pacht- und Rentenverträge), über die Weiterverfolgung von Rechtssachen, über octroi (eine der damaligen deutschen Akzise ähnliche Steuer), Steuerbefreiung, sowie über die Einführung von jährlichen Gedenkgottesdiensten für die Prinzen und Prinzessinnen des zweiten Hauses von Anjou.

In der série KK wurden 10 Register für dieses Programm digitalisiert. Sie entsprechen der Buchführung der Hôtels princiers (Chambres aux deniers, Argenterie, Trésorier, chapelle des chantres) – von Marie von Blois bis zu Karl von Anjou.

 

Justine Moreno

Übersetzung Béatrice Pierre

 

 

Hier finden Sie die Links für den Zugriff auf das Corpus auf der Website der Archives Nationales.

 

Partners:

Archives nationales

Archives départementales de Maine-Loire


[1] Das einheitliche Ordnungsschema für alle staatlichen Archive in Frankreich gliedert sich in séries („Serien, Kategorien“), die wiederum aus sous-séries („Unterserien“) bestehen.